Beugesehnenverletzungen
Krankheitsbilder Hand
Beugesehnenverletzungen
Unser Konzept
Therapie
Frische Durchtrennungen
Die Sehnenenden können in der Regel durch eine Naht vereinigt werden. Dies sollte zum frühest möglichen Zeitpunkt erfolgen, ist aber manchmal noch mehrere Wochen nach der Verletzung möglich. Da Sehnenstümpfe durch den Muskelzug bis in den Unterarmbereich zurückgleiten können, sind sie gelegentlich nur durch ausgedehnte Schnitte in den Hohlhand- und Handgelenksbereich auffindbar. Bei der Verletzung beider Beugesehnen werden in der Regel beide genäht.
Veraltete Verletzungen
Bei veralteten Verletzungen mit intakter oberflächlicher Beugesehne wird meist auf eine Wiederherstellung der tiefen Beugesehne verzichtet. Ein Sehnendefekt kann durch Einsetzen eines Sehnenstückes (Sehnentransplantation), das am Unterarm (Sehne des Musculus palmaris longus) oder am Unterschenkel (Musculus plantaris-Sehne) entnommen wird, überbrückt werden. Vorraussetzung ist eine unkomplizierte Wundsituation. Dies ist selten der Fall.
Bei Zerstörung der Sehnenscheiden und ausgedehnten Gewebeverlusten ist die Wiederherstellung zunächst nicht möglich. Nach Abheilen der Wunde erfolgt ein zweizeitiger Sehnenersatz. Dazu wird in einer ersten Operation im Verlauf der zerstörten Sehne ein Silikonstab eingelegt. Um diesen Stab bildet sich im Verlauf von etwa 8 Wochen ein Gleitkanal, der in seiner Feinstruktur sehr der ursprünglichen Sehnenscheide ähnelt. In einer zweiten Operation wird der Silikonstab entfernt und ein Stück Sehne, das an anderer Stelle entnommen wird, als neue Beugesehne eingesetzt (siehe oben). Ersetzt wird dabei, im Gegensatz zur frischen Verletzung, nur die tiefe Beugesehne.
Nachbehandlung
Verletzte Beugesehnen neigen dazu, im Rahmen der Heilung mit den umgebenden Geweben zu verwachsen, was zu Bewegungseinschränkungen führt. Dies kann durch eine frühzeitig einsetzende Bewegungstherapie verhindert bzw. verringert werden. Andererseits muss die Sehnennaht vor einer zu starken Belastung geschützt werden, um zu verhindern, dass sie reißt. Das erfordert die intensive krankengymnastische Anleitung und disziplinierte Mitarbeit des Patienten. Ohne Motivation und selbständiges Üben sind kaum gute Ergebnisse zu erzielen. Je nach Gegebenheiten werden drei verschiedene Konzepte angewandt.
- Konzept der passiven Mobilisation:
Dieses Konzept wird bei Patienten mit kombinierten Verletzungen angewandt (z.B. nach Beugesehnennaht bei gleichzeitiger Nervenrekonstruktion). Die Fingergelenke werden dabei einzeln ausschließlich vom Behandler durchbewegt (nicht vom Patienten!). Die Sehnennaht wird dabei durch Beugung der angrenzenden Gelenke vom Zug entlastet.
- Konzept der passiven Beugung und aktiven Streckung:
Bei diesem Verfahren wird eine Bewegung der Sehnen dadurch erreicht, dass der Patient die Finger selbst aktiv streckt. Läßt der Patient die Streckung nach, werden die Finger ohne Zutun des Patienten durch Gummizügel oder Federn gebeugt, die an dern Fingernägeln befestigt sind. Dadurch entsteht an den Beugesehnen kein Zug. Der Patient wird dazu mit einer speziellen Schiene versorgt, die das Handgelenk und die Fingergrundgelenke in Beugestellung hält und an der die Gummizügel und ihre Führung befestigt sind.
- Konzept der aktiven Beugung und Streckung:
Bei Beugesehnendurchtrennung in Höhe des Endgliedes kann durch eine spezielle Nahttechnik eine Zugfestigkeit erreicht werden, die ein frühzeitiges aktives Strecken und Beugen des betroffenen Fingers erlaubt. Auch hierbei wird der Patient zur Entlastung der Sehne mit einer Schiene versorgt. In dieser Schiene ist Beugung und Streckung durch den Patienten ausschließlich ohne Widerstand erlaubt.
- Heilungsdauer:
Sechs Wochen nach der Naht ist eine vorsichtige aktive Teilbelastung der Sehnennaht möglich. Die volle Belastbarkeit wird nach 12 Wochen erreicht.
- Komplikationen:
- Riß der Sehnennaht (z.B. durch zu frühe Belastung, bis 10% der Fälle). Therapie: erneute Operation und Naht der Sehne oder Sehnentransplantation.
- Verklebung der Sehne mit umgebendem Gewebe. Therapie: Intensive krankengymnastische Behandlung und Ergotherapie zur Lösung und Aufdehnung der Verklebungen. Sollte dies erfolglos bleiben, kann frühestens nach ca. 6 Monaten eine operative Lösung der Verklebungen (Tenolyse) durchgeführt werden. Bei zu frühzeitiger Operation im noch aktiven Narbenstadium ist die Gefahr für erneute Verwachsungen deutlich erhöht.
- Infektion. Therapie: Ruhigstellung, Eröffnung der Wunde, Antibiotika. Die erzwungene Ruhigstellung verschlechtert die Gleitfunktion. Sofern die Sehnennaht nicht gerissen ist, kann eine Lösung der Verklebung versucht werden. In der Regel ist jedoch eine zweizeitige Beugesehnenverpflanzung erforderlich (siehe oben).
- Erfolgsaussichten:
Im Idealfall kann eine freie Sehnenfunktion ohne Bewegungsbehinderung erreicht werden. Folgende Faktoren haben einen starken Einfluß auf das Ergebnis:
- Art der Verletzung
- Ort der Verletzung
- Begleitverletzungen
- Mitarbeit des Patienten bei der Nachbehandlung
Schlechtere Ergebnisse sind zu erwarten bei Verletzungen in Höhe der Sehnenscheiden (besonders große Gefahr der Verklebung), stumpfer Durchtrennung oder Quetschung der Sehne (Schädigung des Sehnengewebes und der Durchblutung), begleitenden Weichteilschäden und Knochenverletzungen. Gute Ergebnisse sind bei scharfer Durchtrennung außerhalb der Sehnenscheiden zu erwarten (90% gute bis sehr gute Ergebnisse).