Karpale Bandverletzungen
Krankheitsbilder Hand
Karpale Bandverletzungen
Am häufigsten kommt es zur Verletzung des Bandes zwischen Kahn- und Mondbein (SL-Band), was unbehandelt zu ähnlich schwerwiegenden Veränderungen führen kann wie die unbehandelte Kahnbeinfraktur.
Definition
Die Handwurzelknochen werden durch ein komplex aufgebautes Bandsystem stabilisiert. Diese Stabilität ist notwendig, um das Handgelenk in jeder Position schmerzfrei belasten zu können und um Fehlbelastungen der Gelenkflächen zu vermeiden. Verletzungen der Handwurzelbänder führen zu Instabilität und nachfolgendem vorzeitigen Verschleiß des Handgelenkes.
Frische Verletzungen können - im Gegensatz zu veralteten - bei angemessener Therapie zur Ausheilung gebracht werden, sind jedoch häufig schwer zu erkennen und werden als einfache Verstauchung verkannt. Die häufigste und wichtigste Läsion ist die Verletzung des Bandes zwischen Kahnbein und Mondbein (skapholunäres Band).
Ursachen
Verletzungen der Handwurzelbänder kommen in aller Regel durch äußere Gewalteinwirkung, einen Unfall, zustande, beispielsweise durch einen Sturz auf die Hand. Nur selten sind entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis) oder Stoffwechselerkrankungen (z. B. Pseudogicht) ursächlich für eine Schädigung der Bänder der Handwurzel.
Erscheinungsbild
Die Beschwerden und der Untersuchungsbefund bei einer frischen Verletzung der Bänder der Handwurzel werden häufig als einfache Verstauchung abgetan. Typisch sind Schmerzen im Bereich des Handgelenkes mit Schwellung. Die Beschwerden nehmen bei Bewegung und Belastung zu. Die Beweglichkeit des Handgelenkes ist in der Regel schmerzhaft eingeschränkt. Wie bei einer einfachen Verstauchung können die Beschwerden auch bei einer Bandzerreißung unter konservativen Behandlungsmaßnahmen wie einer Gipsruhigstellung passager abklingen. Der Patient kann dann u.U. jahrelang symptomarm, bzw. symptomlos bleiben, obwohl die Schädigung der Gelenkflächen unbemerkt fortschreitet. Häufig wird dann erst durch eine neuerliche Bagatellverletzung eine bis dahin schmerzlose Verschleißerkrankung (Arthrose) aktiviert, d.h. der Patient hat von diesem Zeitpunkt an plötzlich starke Beschwerden.
Diagnostik
Grundlage für die Diagnosestellung ist die Erhebung der Vorgeschichte (Unfallmechanismus) und die klinische Untersuchung des Patienten. In der Regel bestehen bei der frischen Bandverletzung Schmerzen im Handgelenk mit bewegungsabhängiger Verstärkung. Die Beweglichkeit des Handgelenkes ist schmerzhaft eingeschränkt. Hinweisend ist eine lokalisierte Schwellung in der Region des betroffenen Bandes mit umschriebenem Druckschmerz. Durch spezielle klinische Tests kann die Stabilität bestimmter Handwurzelbänder geprüft werden. Hierbei wird eine krankhaft vermehrte Beweglichkeit zwischen einzelnen Handwurzelknochen (z.B. sog. Ballottement-Test) oder ein Schnappen (z.B. sog. Skaphoid-shift-Test nach Watson) als Ausdruck einer Instabilität provoziert.
Notwendig sind Röntgenaufnahmen des betroffenen Handgelenkes in bestimmten Stellungen, im Bedarfsfall ergänzt durch sog. Belastungsaufnahmen zur Erfassung von Knochenfehlstellungen, die mit Standardbildern nicht zu erkennen sind (sog. dynamische Instabilität). Hierzu dient auch die in manchen Fällen nötige Durchleuchtungsuntersuchung (sog. Kinematographie).
Geringere Bedeutung zur Erkennung von Verletzungen der Handwurzelbänder haben derzeit die Arthrographie (Röntgenuntersuchung mit direktem Einspritzen von Kontrastmittel in das Gelenk) und die Kernspintomographie (MRT), da diese Untersuchungen nicht zuverlässig genug Art und Ausmaß einer Bandschädigung nachweisen können.
Die entscheidende diagnostische Maßnahme zur Abklärung einer Bandverletzung der Handwurzel ist die Spiegelung des Handgelenkes, die Arthroskopie. Hierbei kann das betroffene Band direkt gesehen und mit einem Tasthaken auf Stabilität geprüft werden, so dass der gesamte Umfang der Bandverletzung erkannt werden kann.
Therapie
Grundvoraussetzung für eine angemessene Therapie ist die exakte Beurteilung der Bandverletzung. Wesentlich ist, ob es sich um eine frische oder eine veraltete Verletzung handelt, ob eine vollständige oder eine teilweise Zerreißung des Bandes vorliegt und ob es durch die Bandzerreißung bereits zu Folgeschäden im Gefüge der Handwurzel gekommen ist, wie dies meist erst bei veralteten Verletzungen der Fall ist.
Frische Bandverletzungen, d.h. solche Verletzungen, die innerhalb der ersten 2 Monate nach Verletzung erkannt werden, können grundsätzlich wieder zur Ausheilung gebracht werden. Die Behandlung erfolgt bei Teilzerreißungen, bei denen es nicht zu einer Fehlstellung der Handwurzel gekommen ist, mittels Ruhigstellung im Gipsschienenverband für 4-6 Wochen. Bei vollständiger Zerreißung des Bandes wird das Band direkt genäht oder bei Abriß vom Knochen wieder an diesem befestigt. Ergänzend muss in diesen Fällen zusätzlich zur Ruhigstellung im Gipsschienenverband eine vorübergehende Fixierung der einzelnen Handwurzelgelenke erfolgen. Hierzu werden Metallstifte eingebracht, die nach Ausheilung des Bandes (ca. 8 Wochen) wieder entfernt werden.
Bei veralteten Bandverletzungen ist die Therapie erheblich schwieriger, da in der Regel eine vollständige Wiederherstellung nicht mehr möglich ist. Andererseits kommt es durch die als Folge der Bandverletzung eingetretene Gefügestörung der Handwurzel zu einer Fehlbelastung der Gelenkflächen, die im weiteren Verlauf einen vorzeitigen Verschleiß des Handgelenkes (Arthrose) bewirkt.
Das Vorgehen richtet sich nach dem Stadium der Verletzung. Bei fehlender oder bei noch korrigierbarer Fehlstellung kommen Korrekturoperationen im Bereich der Gelenkkapsel, bzw. der Handgelenkbänder in Betracht, durch die die krankhaft vermehrte Beweglichkeit und damit die Fehlbelastung der Gelenkflächen vermindert wird (sog. Kapsulodeseoperation). Bandersatzoperationen unter Verwendung von körpereigenen Sehnenanteilen verstärkt durch künstlichen Bandersatz (FiberTape®) stellt eine erfolgsversprechende Entwicklung dar. Methoden zur Wiederherstellung von Bändern durch Verpflanzung von Knochen-Band-Knochen-Einheiten haben sich für uns nicht bewährt. Bei fortgeschrittenen Veränderungen mit nicht mehr korrigierbarer Fehlstellung kommen in erster Linie Teilversteifungen der Handwurzel in Betracht, um ein Fortschreiten des Gelenkflächenverschleisses zu verhindern. Eine vollständige Versteifung des Handgelenkes kann damit vermieden werden.
Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Diagnosestellung.